„Ich komme aus Libyen.“ Ein einfacher Satz – und doch sorgt er immer wieder für Verwirrung.

Viele reagieren irritiert, manche verwechseln es mit Libanon, andere geben offen zu: „Ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht, wo das liegt.“

Diese Reaktionen sind nicht selten. Im Gegenteil – sie sind fast zur Gewohnheit geworden. Libyen ist für viele Menschen im Westen ein blinder Fleck. Es taucht höchstens dann in den Medien auf, wenn von Krisen, Migration oder politischen Spannungen die Rede ist. Doch was dabei übersehen wird: Libyen ist weit mehr als das, was in Schlagzeilen Platz findet.

Ein Blick auf die Landkarte reicht, um zu erkennen, wie vielfältig dieses Land ist:

Libyen liegt im Norden Afrikas, am Mittelmeer – und ist flächenmäßig eines der größten Länder des Kontinents. Es hat eine lange Küste mit traumhaften Stränden, kristallklarem Wasser und unberührten Buchten, die kaum jemand kennt. Im Landesinneren erstreckt sich eine der beeindruckendsten Wüstenlandschaften der Welt: die Sahara, mit ihren goldenen Dünen, Felsformationen und Oasen, die wirken, als wären sie aus einer anderen Zeit.

Dazwischen gibt es fruchtbares Ackerland, Olivenhaine, Gebirge, Steppen. Libyen vereint viele Landschaften in einem einzigen Land – ein Schatz, der oft unerkannt bleibt.

Auch kulturell und historisch hat Libyen eine beeindruckende Tiefe:

Von den antiken Ruinen der griechisch-römischen Städte wie Leptis Magna und Sabratha – die heute noch eindrucksvoll am Mittelmeer liegen – bis hin zu Berbertraditionen, arabischen Einflüssen, Nomadenkulturen und osmanischem Erbe.

Jede Region erzählt ihre eigene Geschichte, jede Stadt hat ihren eigenen Dialekt, ihre eigenen Rituale, ihre eigene Küche.

Die libysche Kultur ist geprägt von Gastfreundschaft, von Stolz und von einem tiefen Sinn für Gemeinschaft.

Diese Facetten Libyens sind kaum bekannt. Sie tauchen nicht in Reisemagazinen auf. Sie werden selten in der Berichterstattung gezeigt. Und doch existieren sie – lebendig, stolz, kraftvoll.

Libyen ist kein weißer Fleck auf der Karte – es ist nur ein blinder Fleck in unserem kollektiven Bewusstsein. Es ist ein Land voller Geschichte, Kultur und Möglichkeiten. Deshalb ist es so wichtig, dass wir anfangen, auch diese Seiten sichtbar zu machen. Nicht um etwas zu beschönigen – sondern um das Ganze zu zeigen.

Denn ein Land verschwindet nicht, nur weil man wenig über es weiß. Es wartet darauf, erzählt zu werden.

Haifa Eshawesh

Autorin

Dieser Beitrag wurde verfasst von Haifa Eshawesh-Arebi: Lehrerin, pädagogische Fachkraft und stellvertretende Vorsitzende der Libyschen Gemeinde in Deutschland. Sie engagiert sich leidenschaftlich als Vermittlerin zwischen Kulturen und setzt ihre pädagogische Expertise ein, um Vielfalt zu stärken und Menschen zu befähigen, ihre Identitäten selbstbewusst zu leben.


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