von Dr. h.c. Iqbal Dawas Al Maghribi

© LGD | Foto: Tripoli, Libyen „Wir sind die Enkel von Omar Al Mukhtar“
In einer Welt voller Widersprüche und Konflikte, in der Völker zwischen den Schmerzen der Realität und dem Chaos des Alltags leben, erscheint die Fantasie als geistiger Zufluchtsort – ein Fenster zu dem, was sein könnte, nicht nur zu dem, was ist. Manche denken, Fantasie sei lediglich eine Flucht vor der Wahrheit. Doch die tiefere Wahrheit ist, dass Fantasie kein leerer Traum ist, sondern ein umgedrehtes Bild der Realität, geboren aus Leid und schwierigen Erfahrungen, verwoben mit den Fäden von Träumen, Metaphern und Allegorien.
Fantasie in Literatur und Kunst ist eine dramatische Verkörperung der Realität, wenn der Text nicht in der Lage ist, die Wahrheit direkt auszusprechen. Wenn Meinungsfreiheit eingeschränkt und Ausdruck kriminalisiert wird, verwandelt sich der Schriftsteller in einen Schöpfer alternativer Welten, der der Wahrheit ein mythisches Gewand anzieht, damit die Botschaft ohne Hindernisse und Zensur ankommt. Daher ist Fantasie kein bloßes Spiel der Vorstellung, sondern ein widerständiger geistiger Standpunkt.
Dies sehen wir klar in den Werken großer internationaler und arabischer Autoren, in denen es Dämonen, Magier und fremde Königreiche gibt. Doch hinter diesen symbolischen Masken verbirgt sich die deutlichste Form sozialer, politischer und menschlicher Kritik. Der Autor spricht von einem tyrannischen König, meint aber einen zeitgenössischen Diktator; er beschreibt eine verseuchte Welt, spielt jedoch auf sein verwundetes Heimatland an.
In unseren arabischen Gesellschaften, wo die Realität oft eine schwere Last für die Seele ist, wird Fantasie zur Sprache des Überlebens, zu einem Mittel des Widerstands und des Ausdrucks – besonders für Schriftstellerinnen und Künstlerinnen, denen keine freien Bühnen zur Verfügung stehen. Oft wird die Heldin in Fantasieromanen zum Symbol der Frau, die Zwängen trotzt, veraltete Normen ablehnt und in einer Welt, die sie nur als Anhängsel oder Opfer sieht, nach sich selbst sucht.
Fantasie, geboren aus der Realität, ermöglicht es dem Leser, seine Welt neu zu hinterfragen, das Leben mit anderen Augen zu sehen und Gewissheiten zu prüfen. Sie ist mehr als Literatur oder Stil – sie ist ein Werkzeug des Bewusstseins, ein metaphorischer Schrei gegen Unterdrückung und eine ästhetische Verkörperung von Schmerz.
In einer Zeit, in der sich Wahrheiten mit Lügen vermischen und Maßstäbe verschwinden, muss die Fantasie am Leben bleiben. Denn sie sagt das, was nicht gesagt werden darf, und trägt in sich die Hoffnung, dass morgen möglich ist – selbst wenn es heute unmöglich scheint.

Dr.h.c. Iqbal Dawas Al Maghribi
Autorin
🖋️ Über die Autorin
Dr.h.c. Iqbal Abdulrahman Farhat Al Maghribi ist eine libysche Künstlerin, Schriftstellerin und Journalistin aus Tripolis. Sie ist Absolventin der Bildenden Künste und engagiert sich für Menschenrechte, Frieden und kulturellen Ausdruck. Iqbal ist Mitglied zahlreicher internationalen Organisationen, darunter der Weltverband der bildenden Künstler. Sie verbindet Kunst, Literatur und Fantasie als Werkzeuge des Widerstands und der Bewusstseinsbildung. Sie erhielt eine Ehrenpromotion (Dr. h.c.) von der Manara International Organisation for Peace Ambassadors sowie der International Organisation for UN Volunteers.
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